Es war mehr als ein Kongress. Es war ein vibrierendes Zusammenspiel aus Körper, Geist und Gemeinschaft – der Tanzkongress 2019, der unter dem Titel „A Long Lasting Affair“ vom 5. bis 10. Juni im legendären Festspielhaus Hellerau stattfand, zeigte eindrucksvoll, wie politisch, poetisch und transformativ Tanz heute sein kann.
Die international gefeierte Choreografin Meg Stuart übernahm erstmals die künstlerische Leitung und verwandelte den traditionellen Kongress in ein lebendiges Experiment. Statt Podiumsgesprächen und PowerPoint-Präsentationen gab es Räume zum Schlafen, Tanzen, Lesen, Diskutieren – und vor allem: Räume zum gemeinsamen Erleben. Bibliothek trifft auf Club, Kino auf Bewegungsritual, Utopie auf Realität.
Die Kunst, sich zu versammeln
Was passiert, wenn Tänzerinnen, Künstler innen, Wissenschaftlerinnen und Aktivist innen aus aller Welt in einem historischen Gebäude aufeinandertreffen? Wenn sie nicht nur reden, sondern zusammen atmen, schwitzen, improvisieren? Der Tanzkongress 2019 wagte die Antwort. Inspiriert vom reformerischen Geist des Festspielhaus Hellerau – einem Ort, der einst als Heimstätte der Moderne gedacht war – entstand ein Format, das zwischen Kunstinstallation, Workshop, Diskursraum und spirituellem Retreat oszillierte.

Stuart, bekannt für ihre körperlich-intensiven und emotional offenen Arbeiten, ließ die Teilnehmenden tief eintauchen in Fragen von Kollektivität, Anarchie und Heilung. Politischer Aktivismus wurde nicht analysiert, sondern verkörpert; nicht diskutiert, sondern getanzt. Der Kongress wurde zur Choreografie gelebter Utopie.
Zwischen Vergangenheit und Vision
Die Atmosphäre war aufgeladen mit historischen Referenzen – von der Exilkolonie Monte Verità bis hin zur legendären Party des ersten Tänzerkongresses 1927 in Magdeburg. Doch der Blick ging immer auch nach vorn: Wie kann Tanz heute Gesellschaft gestalten? Welche Räume braucht Kunst, um nicht nur abzubilden, sondern zu transformieren?

Diese Fragen hallten nicht nur durch die Hallen Helleraus, sondern auch durch die Satellitenprojekte und weltweiten Salons, die den Kongress vorbereiteten. Besonders bewegend: das kuratierte Begegnungsformat „Down by the Water“, bei dem sich Publikum und Teilnehmende jenseits klassischer Bühnenstrukturen begegneten – offen, neugierig, sinnlich.
Eine Affäre, die bleibt
Der Tanzkongress 2019 war keine Pflichtveranstaltung für Fachpublikum, sondern ein Plädoyer für ein neues Denken in Bewegung. Für viele, die dabei waren, bleibt diese „Affäre“ im besten Sinne unauslöschlich: als Erinnerung an eine Woche, in der Tanz nicht nur Kunst, sondern auch Werkzeug, Sprache und Lebensform war.

Wer sagt, dass Kongresse trocken sein müssen? In Hellerau wurde getanzt, gedacht und gelacht – und vor allem: verbunden. Vielleicht liegt genau darin die Zukunft des kulturellen Austauschs.